Der große Brand 1866 - Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V.

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Der große Brand am 2. September 1866 in Heuchelheim

Jakob Hofmann V. berichtet zum großen Brand 1866 in seinem Tagebuch wie folgt: „Es war Sonntag der 2. September, zu der Zeit als fast alle Männer um 5.00 Uhr nachmittags in den Gastwirtschaften saßen, Karten spielten und Bier sowie Branntwein tranken. Ich war bei meinem Petter (Patenonkel) Volkmann Hannes im Gasthaus „Zum Goldenen Ritter“ (Anm.: Gießener Straße 20, inzwischen abgerissen), da kam der schreckliche Ausruf „Feuer, es brennt im Ort“. Wir sprangen auf die Straße am Falltor hinaus und ließen unser Geld, Essen und Trinken stehen. Wir sahen einen furchtbaren Qualm und Rauch überm Dorf hinterm Kreuz. Die jungen Männer sprangen zuerst zum Spritzenhaus am Kreuz, holten die Feuerspritze raus und fuhren sie an den Bieberbach. Da die ungeübten jungen Männer den Wasserschlauch verkehrt auf die Spritze aufgesteckt hatten, war die Feuerspritze untauglich geworden.“ Das Feuer war vermutlich in einer strohgedeckten Scheune am Bieberbach ausgebrochen, und durch den frischen Südostwind fand das Feuer in den gut gefüllten Scheunen, den für den Winter aufgestapelten Holzvorräten und den Fachwerkhäusern reichlich Nahrung. Jakob Hofmann lief zu seiner Hofreite in der Marktstr. 5 (neben Gasthaus „Zum Schwanen“, heute als Nachfahren Familien Schupp und Drommershausen), die schon zu brennen anfing, jagte die Kälber und Schweine aus den Ställen. Die Kuhherde war gottseidank noch auf der Weide an der Lahn. Die Hofreite von Jakob Hofmann V. brannte trotz aller Löschversuche ab. Doch bald nahte Hilfe aus der Umgebung herbei, so auch die Gießener Feuerwehr und die Feuerwehr aus Wetzlar. Insgesamt waren etwa 50 Feuerspritzen mit Feuerwehren aus der Umgebung im Einsatz, darunter auch viele aus dem preußischen Kreis Wetzlar. Das Abbrennen der damals neuen Dorfschule (erbaut 1850 an der Ecke Marktstraße/Schulgasse) bei der Kirche konnte durch den beherzten Einsatz der Wetzlarer, der Kleinlindener und Kinzenbacher Feuerwehren verhindert werden. Die Marktstraße und die westliche Brauhausstraße brannten weitgehend ab, ein Überspringen auf die Ostseite der Brauhausstraße konnte verhindert werden. Der Brand breitete sich so schnell aus, weil viele der Häuser und Scheunen noch mit Stroh gedeckt waren.

Da die Marktstraße wegen Feuer und Hitze nicht passierbar war, floh Jakob Hofmann über die Brauhausstraße und den Brauhaussteg in die Gässergärten, wo die Blätter der Bäume durch die Hitze versengt waren. Der Schlagmüller vor dem Dorf saß auf seinem Dach und hat es nass gehalten, sonst wäre es auch verbrannt. Jakob Hofmann V. gelangte dann zum Haag, wo das Feuer gestoppt worden war. Auf dem Friedhof (heute Park alter Friedhof) war viel Durcheinander; dort lagen die geretteten Schweine und standen die Wagen mit gerettetem Hausrat. Beim Gastwirt Freitag (Haagwirtschaft, Marktstr. 33) lag ein Branntweinfass auf, so war es in vielen Gastwirtschaften, die nicht abgebrannt waren. Jakob Hofmann V. sucht in all dem Durcheinander seine Frau mit Kindern. Es wurde ihm gesagt, sie wären nach Kinzenbach gelaufen. Das Ehepaar Hofmann hatte 9 Kinder, der älteste Sohn war 15 Jahre. Die Tiere der Kuhherde, die zu ihren Ställen zurück wollten, wurden von dem Kuhhirten und anderen am Erlensand an der Lahn bewacht, damit sie nicht ins brennende Dorf zurücklaufen. Aus dem Pfarrhaus hatte noch der Gießener Superintendent Dr. Simon unter Gefahr seines eigenen Lebens die Kirchenbücher und die Pfarrakten in die Sakristei der Kirche gebracht. Da der Wind von Südost auf Süd drehte und gegen 11 Uhr abends Regen einsetzte, konnte mit Hilfe der Feuerwehren aus Wetzlar, Kleinlinden und Kinzenbach ein Abbrennen der Schule, der Kirche und des Pfarrhauses und der dahinterstehenden Häuser verhindert werden. Trotz der zahlreichen aus der Umgebung angerückten Feuerwehren mit ihren Feuerspritzen, brannten 27 Wohnhäuser und 188 Scheunen und andere Gebäude (wie Ställe, Nebengebäude) nieder, 29 Wohnhäuser und 7 Scheunen waren leicht bis schwer beschädigt. Besonders betroffen war das sogenannte Brandgassenviertel und die Marktstraße. Insgesamt wurden durch den großen Brand 81 Familien mit 369 Personen obdachlos. Ein Ehepaar, das ein Fachwerkanwesen am Haag (Marktstr.29) erworben hat, hat bei der kürzlichen Sanierung des Hauses an der ehemaligen Außenwand, an den jetzt ein Anbau anschließt, einen Brandschaden gefunden. Die Balken sind bis zur Mitte des Obergeschosses verkohlt und die Lehmziegel regelrecht gebrannt. Die Häuser waren damals schon pflichtversichert gegen Brand und deshalb konnte der Aufbau der Häuser relativ zügig erfolgen, zumal zum Teil alte leerstehende Häuser im Hinterland und Vogelsberg erworben (von Leuten die ausgewandert waren), dort abgebaut und in Heuchelheim an den zum Teil verbreiterten und begradigten Marktstraße und Schulgasse wieder aufgebaut werden konnten. Die bisher namenlose Gasse zwischen Bachstraße und Marktstraße (im Volksmund „Treppches Gass“ genannt) erhielt den Namen Brandgasse. Einige Häuser wurden dann nicht mehr im alten Dorf aufgebaut, sondern im Dorferweiterungsgebiet an der Gießener Straße. Aber viele der Einwohner hatten ihren Hausrat und ihre Geräte verloren. Es wurde deshalb auch eine Spendenaktion durchgeführt, dabei gab es besonders großzügige Spenden aus dem Haus des hessischen Großherzoges sowie von dessen Verwandtschaft, dem Zarenhof in St. Petersburg. Es gab noch Streit im Dorf wegen der Verteilung der Spenden an die Brandgeschädigten. Zwölf Jahre später, im Jahre 1878 gab es ein weiteres Großfeuer, das jedoch nicht mit den Ausmaßen des Brandes von 1866 zu vergleichen war. Jedoch führten beide Ereignisse dazu, 1878 eine eigene Feuerwehr zu gründen, die dann 1890 ihren ersten Großeinsatz zu bestehen hatte. Eine weitere Drangsaal für die hiesige Bevölkerung in 1866 bis zum Brand bildeten die Einquartierungen von mit Preußen verbündeten Truppen aufgrund des Krieges zwischen Preußen und Österreich-Ungarn.

Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim/Kinzenbach e.V. / Arbeitskreis Ortsgeschichte
Online seit dem 27.12.2020
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