Das Bieberbach-Hochwasser vom 02. Juni 1853
Auch das Dorf Heuchelheim hatte in der Vergangenheit unter Hochwassern der Bieber zu leiden. Über ein ungewöhnlich schweres Hochwasser am 02.06.1853, also vor nunmehr 168 Jahren, hat Jakob Hofmann V. (09.02.1828 -06.03.1893), wohnhaft im damaligen Haus-Nr. 66 zwischen Gasthaus „Zum Schwanen“ und dem späteren Baumschulenhaus des Philipp Rinn (danach Römer) in seinen Tagebuchaufzeichnungen wie folgt berichtet:
„Es herrschte Regenwetter, ich war hinter der Scheune, als man gegen 5 Uhr nachmittags von Ferne ein Tosen und ungewöhnliches Rauschen hörte. Es regnete grad nicht so sehr bei uns. Das Getöse kam vom Wald her und die Leute sprangen auf die Bleiche (heute beiderseits des Else-Wesch-Weges an den Kindergärten) um ihre dort zum Bleichen ausgelegten Tuche heim zu holen. Dann kam die Flutwelle ausgelöst von einem schweren Wolkenbruch in und vor den Wäldern oberhalb von Kinzenbach am Königsstuhl vom Gemeindebrauhaus her (heute altes Rathaus) ins Dorf und riss alle hölzernen Fußgängerstege weg. (Anm.: Zu dieser Zeit gab es im Dorf Heuchelheim noch keine Brücken, nur Furten für die Fuhrwerke und seit 1849 nur eine Lahnbrücke südlich des Dorfes). Das Dorf war durch das Hochwasser des tosenden Bieberbachs in 2 Hälften geteilt. Ich flüchtete gleich in Nesseldrehers Haus und Hof. Das Wasser ging mir schon über die Knie. (Anm.: Jakob Hofmann saß nachdem der Steg weggerissen war, im Haus Nesseldreher auf der sogenannten Insel (Bachstr. 1) fest und konnte nicht in sein Haus heute Marktstr. 5 zurück). Die Frau Nesseldreher mit den Kindern war schon im zweiten Stock und sorgte sich um ihren Mann, der zum Fischen an die Lahn gegangen war. Ich sprang in die Stub, da stand der Webstuhl noch mit Garn und Tuch. da ging das Wasser an den Tuchbaum. Ich sah grad zum Fenster hinaus, da kamen einige Kühe an den Fenstern vorbei geschwommen, die hätte ich an den Hörnern fassen können. Das Haus hatte eine Schutzmauer an der nördlichen Seite, die war durch die schweren Bauhölzer eingerammt, die von der Heuchelheimer Mühl und Schlagmühl und Brauhaus abgeflossen waren. Es wäre um einen Stoß geschehen, dann hätte das ganze Haus im Strom gelegen, und wir wären unter die Trümmer gekommen. (Anm.: Das Haus Nesseldreher auf der Insel wurde mit 2 weiteren Häusern im Jahre 1933 bei Verlegung und Begradigung des Bieberbaches und dem Neubau der Brücke am Kreuz mit Schaffung des Kreuzplatzes abgebrochen). Das Wasser floss am Dorffalltor (Gießener Str.) hinaus und nahm viele Gegenstände mit bis an den Sanderweg (Anm.: Heutige Ecke Gießener Str./Ludwig-Rinn-Str., östliches Ende des damaligen Dorfes). Über Nacht hatte sich das Wasser gesenkt und ich konnte in mein Haus zurückehren. Einer meiner Hämmel fand im Stall den Tod. Die drei anderen waren zum Hoftor hinausgeschwommen und wurden im Unterdorf gerettet. Das Rind im Stall hatte eine lange Kette, die Füße auf der Krippe und das Maul oben an den Balken, so ist es nicht ertrunken. Es waren auch mehrere Hunde an der Kette ersoffen und auch Kälber. In der Brauhausgasse war den meisten Leuten das Holz und der Mist fortgeflossen. Die Keller voll Wasser mussten ausgetragen werden, doch verfaulten die Kartoffeln noch.“
Die Arbeiter aus den Fabriken in Gießen mussten sich am 02.06.1853 mit Wagen heimfahren lassen, da auch die Kropbach (Landwehr) über die Ufer getreten war und die Straße überschwemmt hatte. Jakob Hofmann berichtet weiter: „Das Gießener Feld hüpfte danach all voll kleiner Frösche, die müssen aus Sümpfen gekommen sein. Es war zum Bewundern.“
Das Hochwasser hatte große Schäden angerichtet, allein die Neuerrichtung der Stege, die jetzt mit eisernen Trägern ausgerüstet wurden, kostete die Gemeinde 1500 Gulden.
Auch für das Jahr 1857 hat Jakob Hofmann folgendes aufgezeichnet: „Ich hatte meine Ländereien schön in Ordnung. Da kommt ein furchtbares Kieselwetter und schlägt alles darnieder, unsere Feldfrüchte, das Obst – es war sehr traurig.“
Die Tagebuchaufzeichnungen von Jakob Hofmann wurden 1972 im Elternhause von Ferdinand Renner in der Marktstr. 5 aufgefunden und von Gisela Kraft-Schneider von der alten Schrift übertragen und in einem Sonderdruck zusammengefasst. Vorstehend sind sie gegenüber dem Original in etwas verständlichere Form gebracht worden.
Die alten Leute erzählten, dass es früher - im 17. Jahrhundert - schon einen starken Wolkenbruch mit Hochwasser im Dorf gegeben hätte. Noch schlimmer für das Dorf Heuchelheim war jedoch der große Brand vom 02.09.1866, über den wir ebenfalls demnächst berichten wollen.
Das Bild aus dem Jahr 1920 zeigt die Brauhausstraße mit Fußgängerstegen über den Bieberbach und dem Rathaus im Hintergrund, fotografiert in Höhe des heutigen Friseur-Salons Gnau.
Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim/Kinzenbach e.V. / Arbeitskreis Ortsgeschichte