Die Not, die der „Siebenjährige Krieg“ (1756-1763) über unser Dorf brachte
Im vorgenannten Krieg um Schlesien standen sich Preußen unter Friedrich dem Großen und Österreich unter Maria Theresia gegenüber. Preußen hatte England, Hannover, Hessen-Kassel, Braunschweig und Gotha an seiner Seite, während für Österreich Russland, Frankreich, Süddeutschland einschl. unser Hessen-Darmstadt kämpften. 1757 wurde die Festungsstadt Gießen von den Franzosen besetzt und blieb bis 1763 in ihrer Gewalt. Heuchelheimer Bauern mussten Hafer, Stroh und Heu nach Gießen liefern und für die Franzosen Fuhrleistungen erbringen. Oft waren die Bauern lange unterwegs, bis man sie freigab und häufig verloren sie dabei Gespann und Wagen. Die Führer der französischen Armee vermochten nicht die Truppen in strenger Zucht zu halten und so begingen sie Raub und alle möglichen Schandtaten.
Nachdem im Sommer 1759 die Franzosen weitgehend nach Norden abgezogen waren, wurden sie am 1.8.1759 von den verbündeten Truppen (zum Teil Engländer) unter Herzog Ferdinand von Braunschweig geschlagen und fluteten bis Gießen wieder zurück und bezogen Stellung von Großen-Buseck bis nach Wetzlar südlich der Lahn. Die verbündeten Truppen besetzten nördlich der Lahn die Linie Wißmar-Gleiberg-Vetzberg-Königstuhl-Waldgirmes-Wetzlar. Die beiden Heere lagen sich ¼ Jahr gegenüber und es wurden Schanzen errichtet, die heute noch sichtbar sind, so im Kinzenbacher Wald auf einer Höhe von 275 m NN und am Königstuhl auf 340 m NN. Das in der Nähe liegende historische Frauenkreuz wurde 1759 zerstört und erst 1987 vom Geschichtsverein Waldgirmes als Nachbildung wieder neu errichtet. Heuchelheim lag zwischen den feindlichen Parteien, und die Bewohner mussten in ständiger Angst leben, dass ihr Dorf zusammengeschossen würde. Zum erwarteten Angriff kam es nicht. Als die Nachricht kam, dass die Franzosen in Kanada geschlagen worden seien, rückte Herzog Ferdinand mit seiner Armee nach Heuchelheim vor und errichtete ein Freudenfeuer mit Siegesparade auf der Westseite der Lahn vor den französischen Truppen auf der anderen Seite der Lahn. Unsere Gemeinde litt sehr unter den Einquartierungen und musste zur Versorgung der Truppen auf Gemeindekosten Rinder, Kühe, Ochsen, Hammel, Gänse, Hühner, Fleisch, Butter, Milch, Käse, Schmalz, Bier und Stroh liefern. Außerdem waren laufend Fuhrleistungen zu erbringen. Wegen des schlechten Wetters ab November 1759 kam es zu Versorgungsengpässen bei den Truppen und Futtermangel lies viele Pferde der Kavallerie verenden. Im Dezember 1759 war Herzog Ferdinand selbst in unserem Dorf. Er schrieb an seinen Quartiermeister, die Engländer in Heuchelheim hätten weder Stroh noch Fourage und schon 6 Tage seien die Regimenter ohne Hafer. Auch die Soldaten und die Dorfbewohner litten Hunger. Die Soldaten hatten die rote Ruhr eingeschleppt, die unter der Bevölkerung zahlreiche Opfer forderte. In den früheren Jahren starben in Heuchelheim bei damals rund 800 Einwohnern jährlich 11 bis 14 Personen. 1759 waren es 50 und 1760 noch 30. Da die von den Franzosen besetzte Festung Gießen wegen der eingetretenen Überschwemmung nicht in kurzer Zeit genommen werden konnte, zogen sich die verbündeten Truppen im Januar 1760 in die Gegend von Paderborn ins Winterquartier zurück.
Die Franzosen blieben noch bis 1763, legten Truppen in unser Dorf und verlangten ihren Tribut. In 1762 brach unter dem Vieh eine Seuche aus, die 150 Stück Hornvieh dahinraffte. Das Jahr 1763 brachte endlich den Frieden und den Abzug der Franzosen. Knapp 30 Jahre lang erfreute sich danach das Dorf des Friedens.
Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V. Arbeitskreis Ortsgeschichte