Der Wald-Streit zwischen Heuchelheim und Kinzenbach
Nachstehend nur einige Beispiele aus der damaligen turbulenten Zeit:
In manchen Jahren gab es einen zweiten Eichelfall. Auf diese Nachmast erhoben die Kinzenbacher allein Anspruch, da das Gebiet nassauisch sei und beschlagnahmten die Heuchelheimer Schweine, als der Heuchelheimer Schweinehirt zur Nachmast in den Wald ziehen wollte. Etwas später nahmen die Heuchelheimer den Kinzenbachern die gesamte Schweineherde ab und verkauften sie an einen Butzbacher Metzger. Die Kinzenbacher wiederum nahmen den Heuchelheimern Pferd und Wagen als Pfand weg, beschlagnahmten Heuchelheimer Schweine und verkauften diese. Im Gegenzug nahmen die Heuchelheimer den Kinzenbachern 8 Pferde ab. Immer wieder mussten Soldaten, teilweise bis zu 100, eingesetzt werden, um die Streithähne zu trennen und einen Austausch der Pfänder möglich zu machen. Der Streit gipfelte darin, dass man den Heuchelheimern, als sie im Wald waren, 17 Ochsen, 2 Pferde und 3 Wagen Holz abnahmen. Die Heuchelheimer sind daraufhin in Scharen nach Kinzenbach gezogen und nahmen alles mit, was ihnen in die Hände fiel. Die Chronik schreibt dazu: „300 Personen seien mit Stangen, Heu- u. Mistgabeln nach Kinzenbach in nassauisches Gebiet eingefallen und hätten die angetroffenen Untertanen teils mit mörderischen Schlägen angetastet und in schmählicher Gefangenschaft nach Heuchelheim fortgetrieben. Einige seien nach Gießen ins Stockhaus (Gefängnis) geschleppt worden, wo sie ohne Stroh auf hartem Pflaster liegen mussten“. Von der Verbitterung der Heuchelheimer zeugt auch die Behandlung, die sie dem Kammerboten vom Reichsgericht in Wetzlar angedeihen ließen, als dieser den Befehl zur Auslieferung der Pfänder überbringen wollte. Der Streit ging also damals bis zum höchsten Gericht des Reiches. Die Chronik schreibt: „Die Heuchelheimer hätten den Kammerboten dergestalt empfangen, dass er kaum mit dem Leben davongekommen sei. Man hätte ihn mit mörderischen Stangen und Prügeln umbringen wollen“.Das geschilderte ist nur eine kleine Auswahl aus den Streit-Kapriolen, die sich damals im Laufe der Jahrzehnte abgespielt haben.
Es kam dann doch zum Austausch der Pfänder und im Jahre 1774 nach Ende des 7-jährigen Krieges (1756-1763) und nach dem Tod des alten Weilburger Fürsten wurde endlich der Wald durch Setzen von Grenzsteinen geteilt, nachdem man sich auf einer Konferenz zwischen den Regierungen von Hessen-Darmstadt und Nassau-Weilburg und Vertretern von Heuchelheim und Kinzenbach in der Amtmanns-Mühle in Rodheim einig geworden war. Die Steine, die jetzt zum Teil nach vorhanden sind, wurden zunächst auf der einen Seite mit NW für Nassau-Weilburg, ab 1816 geändert in KP (Königreich Preußen), und auf der anderen Seite mit HD für Hessen-Darmstadt gekennzeichnet. Lediglich beim Setzen der Trift-Steine (gekennzeichnet mit einem T), von denen heute nur noch wenige vorhanden sind, für den Weg des Viehtriebs zum Wald gab es noch Differenzen.Die Chronik berichtet noch, dass die Heuchelheimer in 1692 im Wald einen Schweinestall errichteten, damit die Tiere zur Mast mit dem Hirten für einige Wochen draußen bleiben konnten (die Stelle heißt heute noch „Saustallsgrund“). 1723 habe man den Erlös für den abgebrochenen Schweinestall, wie allgemein für Waldholz üblich, im Verhältnis der Einwohnerzahl mit ¾ für Heuchelheim und ¼ für Kinzenbach verteilt.
Die über 196 Jahre (1578-1774) immer wieder aufflammenden Zwistigkeiten wirkten noch lange in beiden Gemeinden nach und bis zur Auflösung des Großherzogtums Hessen-Darmstadt und des Königreichs Preußen in 1918 gab es nur wenige menschliche Beziehungen über die quasi ausländische Grenze zwischen den beiden Gemeinden.
Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V. Arbeitskreis Ortsgeschichte