Dreschhallen in Heuchelheim und Kinzenbach - Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V.

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Frühere Dreschhallen in Heuchelheim und Kinzenbach
 
Im Dorf Heuchelheim gab es zwischen den Weltkriegen und kurz danach nicht nur vier Gemeinde-Backhäuser, sondern am Rande des Dorfes auch vier Dreschhallen, sowie zwei weitere in Kinzenbach. Die Dreschhallen kamen auf, als das Dreschen des Getreides (Roggen Weizen, Gerste und Hafer) mit Dreschmaschinen erfolgte. Vorher war es über 1000 Jahre der Dreschflegel, mit dem das Korn beschwerlich, personal- und zeitintensiv in der Scheune ausgedroschen wurde. Um 1700 wurde dazu die Windfege, besser bekannt als Fegemühle, mundartlich „Feegmeel“, ein mit Kurbelkraft betriebenes Reinigungsgerät erfunden, mit dem die Körner von der Spreu getrennt wurden. Im Heimatmuseum im ehemaligen Kinzenbacher Bahnhof sind sowohl Dreschflegel als auch Fegemühle zu besichtigen.

Ab 1850 kamen dann die ersten dampfbetriebenen Dreschmaschinen auf, die mit der Elektrifizierung dann per Strom angetrieben wurden. Die Stromversorgung in Heuchelheim durch das E-Werk in Gießen erfolgte ab 1911. Dreschhallen kamen in Mode, in die die Dreschmaschinen von Traktoren hineingezogen wurden und dort für einige Zeit verblieben. Die großen Bauern bestellten Dreschmaschinen auf ihre großen Höfe. Für die kleinen Bauern – und das waren örtlich die weitaus allermeisten – blieb dann der Weg in die Dreschhalle am Ortsrand.
Es gab früher folgende Dreschhallen um Heuchelheim:
 
1. Dreschhalle Albert Steinmüller am alten Rodheimer Weg. Nach Baulandumlegung „Haagwiesen, Alter Rodheimer  Weg“, stellte Karl Adolf Steinmüller den Dreschmaschinen-Betrieb ein und seine Schwester Henni Ludwig geb. Steinmüller, erhielt dort einen Bauplatz an der jetzigen Schubertstr. 18 (vorher alter Rodheimer Weg), den sie mit einem Wohnhaus bebaute. Der ursprüngliche Eigentümer des Dreschhallengrundstücks Albert Steinmüller, Vater der Geschwister Steinmüller hatte als Soldat den 2. Weltkrieg nicht überlebt.

2. Dreschhalle Philipp und danach Sohn Erhard Kreiling, Mühlstr. 3. Um die Dreschhalle wurden später Garagen für Traktoren, Mähdrescher und Lastwagen errichtet und um 1980 wurde die inzwischen zu einem Schwertransportunternehmen herangewachsene Firma nach Gießen-West verlegt. Danach wurde auf dem Grundstück ein Supermarkt (zuerst EDEKA, dann  REWE) errichtet. Um 2005 wurde der Supermarkt auf den Geiersberg verlegt, das Gebäude wurde abgerissen und es wurden 3 Wohn-Immobilien an seiner Stelle errichtet.

3. Dreschhalle Konrad Stückrath am heutigen Sanderweg. Nach Einstellung des Dreschmaschinen-Betriebes diente die Halle der Unterstellung von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Geräten, und sie brannte später ab. Nach Baulandumlegung wurden auf dem Gelände der früheren Dreschhalle Wohnhäuser errichtet

4. Dreschhalle Ernst Heinrich Weber am Sanderweg, dann Ecke Ludwig-Rinn-Straße/Sanderweg. Die Familie Albert Weber betrieb einen Dreschhallenbetrieb, der nach Übergang auf Sohn Ernst Heinrich Weber noch durch Mähdrescher, Kartoffeldämpfkolonne und Lohnholzschneiden erweitert wurde. Ernst Heinrich Weber betrieb sein Lohndreschen am längsten von den Heuchelheimer Dreschmaschinen-Unternehmen. Mit Kartoffeldämpfen und Holzschneiden war er auch weit über Heuchelheim hinaus überregional tätig. Auf zahlreichen Veranstaltungen, Vereinsfeiern usw. hat Ernst Hch. Weber die Besucher mit „Quellkartoffeln“ aus seiner Dämpfkolonne erfreut, wozu er Schmand („Schmierkees“) reichte. Über alle unternehmerischen Aktivitäten von Ernst Hch. Weber wurde von Bruder Karl ein sehenswerter Film gedreht, der auf CD überspielt im Heimatmuseum auch für Interessierte leihweise zur Verfügung steht. Kartoffeldämpfkolonne und Unimog mit Holzschneideeinrichtung befinden sich heute im Landmaschinenmuseum in Wetzlar-Finsterloh. Das Gelände der früheren Dreschhalle wird heute gewerblich (Gebrauchtwagenverkaufsplatz) genutzt.

5. In Kinzenbach standen 2 Dreschhallen: a) die Dreschhalle von Hermann Pfaff (Post-Hermann) im späteren Baugebiet Kinzenbach-Süd, heute Irisweg und b) die Dreschhalle an der Atzbacher Straße, betrieben von dem bereits unter 4. genannten Albert Weber, dessen Ehefrau (geb. Brück) aus Kinzenbach stammte. Dieses Dreschhallengrundstück ging später im Erbwege auf den Sohn Karl Weber über, der das Grundstück an den bereits genannten Hermann Pfaff verkaufte. Dieser neue Besitzer hat die Reste der Dreschhalle an der Atzbacher Straße nach einem Brand abgebaut und seine Halle aus Kinzenbach Süd an das Ende der Atzbacher Straße versetzt, die Halle mit festen Wänden versehen und seine landwirtschaftlichen und lohnfuhrunternehmerischen Geräte dort untergestellt.   

Mit dem Aufkommen der ersten, dann danach auch schnell selbstfahrenden Mähdreschern in den 1950er Jahren - heute imposante High-Tech-Gerätschaften – erfolgte die nächste technische Revolution auf dem Ackerfeld und machte die „Dreschhallen-Kultur“ nach rund einem Jahrhundert wieder überflüssig. Nach und nach verschwanden sie aus den Ortsbildern. Die junge Generation kennt heute keine Dreschhalle mehr.

Heimat- und Geschichtsverein Heuchelheim-Kinzenbach e.V. Arbeitskreis Ortsgeschichte
Online seit dem 27.12.2020
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